Montag, 30. November 2015

Was ein Kamel mit einem Schaltzimmer zu tun hat.

Heute ist mir auf der Baustelle mein theologisches Wissen einmal mehr hilfreich gewesen und das nicht nur beim Quizduell. (obwohl ich dort immer wieder schmerzlich erfahre, dass ich bei den Fragen über die griechische Mythologie  abloose, schande, schande, schande. Aber dazu vielleicht ein andermal mehr, aber wahrscheinlich auch nicht.)
Heute ist uns jemand begegnet, der bis oben prall gefüllt war mit Heiligem Geist, an sich eine erfreuliche Tatsache. Er war so sehr damit erfüllt, dass er uns an dieser Fülle teilhaben wollte, wäre ja auch ganz nett, vorausgesetzt wir hätten dieses Geschenk in dem Masse annehmen wollen, wie uns der Andere damit übergoss. Meine Zurückhaltung seine Gaben zu estimieren und in Anspruch zu nehmen und meine Offenheit anderen Religionen gegenüber, veranlassten den Herrn in mir gleich den Satan zu sehen, womit ich ohne weiteres leben kann. Dabei sehe ich hinter der ganzen Geschichte ein riesiges Missverständnis, das sich immer wieder einstellt, wenn man aufhört selber zu denken, kritisch zu fragen und alles, was einem gesagt, gedruckt oder geflimmert wird als bare Münze zu nehmen.
Glauben, auf hebräisch, aman, heisst wissen und wissen hat viel mit denken, selber denken zu tun, etwas, das leider nicht allen Leuten gegeben zu sein scheint, auch mir nicht immer. Ich habe gelernt, die biblische, aber auch historische Texte kritisch zu hinterfragen, aber wie sieht es mit den Plänen auf der Baustelle aus, müsste ich für sie nicht auch ähnliche Kriterien anwenden?
In jeder Wohnung auf unserer Baustelle steht auf den Plänen der Begriff "Schaltzimmer" Was um alles in der Welt ist ein Schaltzimmer? habe ich mich immer wieder gefragt. Hat es etwas mit einer Elektro- oder Sanitärverteilung zu tun? oder geht es um die Lage des Zimmers innerhalb der Wohnung? Oder hat es am Ende etwas mit der Statik zu tun? alles weit gefehlt! Das Schaltzimmer auf unseren Plänen hat etwas mit dem Gleichnis vom Kamel, das durchs Nadelör geht zu tun. In Mk 10,25 ist zu lesenEher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes. Ein lustiges Bild, das Kamel, das durch das Nadelör geht. Irgendwie geht es aber nicht auf. In anderen Lesarten steht statt κάμηλος was eben "Kamel" heisst, κάμιλος was "Ankertau" heisst. Das η wurde möglicherweise im Koine- Griechisch ähnlich ausgesprochen wie das ι was zu einem Abschreibefehler geführt haben könnte. Also ursprünglich könnte unser Gleichnis heissen: Eher geht ein Ankertau durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes. Das ist logisch, wenn auch nicht mehr so lustig. Wenn ich den Text nun so hinterfrage, mit anderen Lesarten spiele, mit verscheidenen Übersetzungsvarianten weitere Sinnmöglichkeiten erschliesse, wird der Bibeltext menschlich, ist er ja auch, aber das wird dann bewusster. Mit dem Bewusstsein, dass biblische Texte menschlich sind, wird es kaum möglich sein, sie jemandem als absolute Wahrheit überzustülpen. Biblische Texte wollen befragt, hinterfragt, kritisiert, abgelehnt, geglaubt, geliebt, gehasst - kurz gelebt werden. Sie müssen immer wieder neu interpretiert und entsprechend den Lebensumständen ausgelegt werden. Schliesslich wollen biblische Texte von jeglicher Art Fundamentalismus befreit werden, der sie ins Korsett einer einzigen ihm genehmen Lesart stecken will.
Und was ist jetzt mit unserem Schaltzimmer? Tja, das ist eine ähnliche Geschichte wie mit dem Kamel und dem Nadelöhr: Wie es aussieht hat irgendwer irgendwann die einzelnen Zimmer des Projekts beschriftet. Vielleicht hat die Spracherkennung beim Eingeben ein Wort vorgeschlagen der Jemand hat Schla gelesen, statt Schal und schon hat der Jemand Enter gedrückt, und mit Copy Paste wanderte das Schaltzimmer in jeden Plan, jeder Wohnung unserer Überbauung, aber eigentlich müsste es Schlafzimmer heissen.
Was lernen wir? Wir können nicht genug hinterfragen, wir können nicht genug selber denken, wir können nicht genug, das was uns - egal auf welchem Kanal - vorgesetzt wird prüfen, denn Glauben, Aman, heisst wissen glauben kann daher nur, wer selbständig denkt.

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