Dienstag, 24. November 2015

Mann o Mann!

Je länger ich als electro-pastor arbeite, desto klarer zeichnen sich die Unterschiede zum Pfarramt ab. Und hier haben wir schon der erste grössere Unterschied: Elektromonteur ist ein Beruf, den man einmal erlernt hat und beherrscht, die einen mehr, die anderen weniger. Wenn ich am Abend von der Baustelle nach Hause gehe, habe ich Feierabend, bin ich gewissermassen nicht mehr Elektromonteur. Dann steige ich in den Zug und treffe Menschen aus der Gemeinde, beginne ein Gespräch, dann bin ich voll und ganz Pfarrer. Pfarrer sein ist deshalb kein Beruf, es ist ein Amt. Ich habe das Amt inne, deshalb gibt es keinen Feierabend, keine Arbeitszeit, aber auch keine Überzeit. Das tönt jetzt anstrengend ist aber in Tat und Wahrheit eine grosse Ehre: Ich bekomme sehr viel von den Menschen geschenkt, das wohl grösste Geschenk, das mir die Menschen machen ist ihr Vertrauen. Dass mir nicht alles zuviel wird, dafür bin ich selber verantwortlich. Diese Abgrenzung gelingt mal mehr, mal weniger.
Worüber ich aber heute schreiben wollte, ist ein grosser Unterschied über den man heute - und schon gar nicht als Mann - fast nicht mehr schreiben kann, schreiben darf: Der Genderunterschied, der Unterschied der Geschlechter. Konkret: Das Arbeiten mit Männern ist entschieden anders als das Arbeiten mit Frauen. Eigentlich logisch, doch dennoch wenig bewusst. Innerhalb kirchlicher Kreise ist die Feminisierung des Gemeindelebens, trotz vereinzelter Männergruppen, nicht zu übersehen. (Pachmann (2011) Pfarrer sein, S. 175) Bevor ich auf der Baustelle arbeitete, war mir das nicht so bewusst. Doch der Unterschied in der Arbeitsweise ist eklatant. Was ich beobachte: Männer brauchen viel weniger Worte, gut das ist eine Binsenwahrheit. Arbeiten werden sehr direktiv vergeben, ebenso werden auch Aufträge erteilt, keine Diskussion, kein formales Bittibätti für die Seele. Wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte, wird dies ganz direkt und unverblümt gesagt. Eben so direkt und unverblümt setzt sich der Beschuldigte auch zur Wehr oder anerkennt unumwunden seine Schuld ein. Emotionen werden nicht offen gezeigt, auch das kommt schon in diesem Zusammenhang einer Plattitüde gleich. Wenn Männer traurig sind, reden sie oft nicht darüber. Viele sagen, was sie z.B. traurig macht, dann schweigen sie. Die Männer um den Trauernden sind einfach da, schweigen, machen mit dem Trauernden zusammen eine Arbeit oder gehen gemeinsam einen Weg, sie akzeptieren auch, wenn der Trauernde einfach alleine sein will. Ich denke für viele Männer hat der Begriff "Empathie" (Einfühlungsvermögen) eine ganz andere Bedeutung: Viele Männer fühlen sich verstanden, wenn sie das, was sie belastet einfach mal in wenigen Worten sagen können, aber nicht darüber detailliert sprechen müssen und auch die Erwartung nicht besteht dass sie darüber detailliert sprechen. Ich denke, Seelenstriptease ist kein urmännliches Verlangen. Gespräche über männliche Emotionen sind sehr oft Kurzgespräche. Männer zollen einander viel Anerkennung. Das Urteil: "Das hast du nicht schlecht gemacht" Meint eigentlich - natürlich stark vom Kontext abhängig: das hast du sehr gut gemacht. Wenn unter Männern kein Lob und keine Anerkennung kommt, ist alles in bester Ordnung, was ja an sich ein Kompliment ist. Viele Männer zeigen ihre Gefühlsschwankungen, die sie haben, nicht so offen. Viele haben sich eine Strategie zurecht gelegt, ausgeglichen zu wirken. Frauen sind da offener, viele zeigen ihre Gefühle offener. Ich bin allerdings nicht überzeugt, dass Frauen insgesamt emotionaler sind als Männer, die männliche Emotionalität drückt sich bloss anders aus. Pachmann (S. 178) schreibt, männliche Themen seien vorwiegend handfester Natur: Aggression, Politik, Geld, Handwerk, Sexualität. Letzteres wird, obwohl in der Gesellschaft immer breiter diskutiert, gerade in religiösen Kreisen immer mehr auch tabuisiert.
Ich habe dank dieser electro-pastoren- Erfahrung viele Impulse zur Arbeit mit Männern erhalten. Ich muss diese nun gut bedenken und überlegen, was das für das kirchliche Leben bedeuten mag.

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