Auf vielseitigen Wunsch unseres Bosses, werde ich heute mal etwas Positives über unsere Baustelle schreiben. Ich muss Ihnen allerdings ganz ehrlich eingestehen, dass das Unregelmässige, das Unplanmässige, dort, wo man improvisieren muss, weit mehr Freude bereitet, mehr zu erzählen, zu lachen zu fluchen, ganz einfach, mehr zu leben gibt, als das Planmässige. Stellen Sie sich meinen Blog in diesem Stil vor: Wie nicht anders erwartet, haben heute alle Schalungsschoner gepasst. Wie in den letzten drei Wochen sind auch heute alle Muffen flutsch auf die Rohre gesprungen, alle Kästchen im Blei, alle Briden halten, nur die Müsterchen auf der OSB-Platte ändern sich. Dann haben wir Kabel eingezogen, keines war zu kurz, jedes Rohr geht praktisch widerstandslos, so dass man kein Gliss braucht (Mein Kollege, der Glisshasser, freut sich). Wir mussten bis jetzt auch nie Spitzen, weil die Planung so toll war, dass keine Kernbohrungen nötig sind und wenn gebohrt wurde, sind unsere Rohre nicht erwischt worden. Ausserdem lieben sich alle, keiner hasst den anderen, der Löwe spielt mit der Gazelle auf der Deckenschalung und das Häschen hoppelt einträchtig mit dem Fuchs über die Baustelle...
...Gähn, langweilig.
In dem Sinne soll dieser Blog auch ein Votum für das Unregelmässige sein, denn dies ist spannend, dies ist Leben, dies ist Herausforderung, das ist das, was mir auf dem Bau auch so gefällt. Es sind ja schliesslich auch im Leben die Unregelmässigkeiten, die spannend sind.
Eine Vita, die so verläuft: 1979-1982 Primarschule, 1982-1987 Sekundarschule, Sie haben richtig gemerkt, da fehlt ein Jahr, denn der richtige Streber überspringt ein Schuljahr! 1988-1992 Gymnasium, 1992-1998 Theologiestudium, 1999 Vikariat, Ordination, dann folgen in Rekordzeit Assistenzzeit Dissertation in Dogmatik unter dem Titel: «Gott und das Richtige. Eine Untersuchung zur Rede vom Richtigen ausgehend von §56 abs. 2e bis der Kirchlichen Dogmatik Prof. Dr.Dr. mult. Hans Bärmanns», Prädikat:summa cum laude, Habilitation, zwischendurch Heirat und Kinder ein Mädchen ein Junge, einen Golden Retriever, und eine Tigerkatze, natürlich verstehen sich die Kinder wundervoll, haben nie Streit, sind super in der Schule, überspringen ein Schuljahr, wie auch der Hund in der Hundeschule zwei Kurstage überspringen kann, weil er so brav ist und sich nie mit der Katze streitet, diese wiederum scheisst sich auch nur in Nachbars Garten aus etc. Berufung an einen Lehrstuhl, noch mehr Zapfen, aber nicht noch mehr Kinder, eigene Baracke mit Sonnenkollektoren und Solarzellen, einen Garten mit Gasgrill, einen fetten Autounterstand mit einem silbergrauen Kombi und einem Kleinwagen für ihn, damit er zur Arbeit fahren kann. Segelboot mit Liegeplatz am See, Weihnachtsferien auf den Malediven. Dann folgen Publikationen, Ehrungen, Kongresse, Vorlesungen. Dann mit der Zeit Ehrendoktorentitel, natürlich studieren die Kinder, auch aber natürlich nicht Theologie, sondern Jura im Hauptfach und BWL im Nebenfach und und und.
Die Zuwendung zum Gescheiterten, zum Elenden, zum nicht Perfekten, zum Randständigen hat eine starke theologische Komponente. Die Bibel ist voll von Geschichten über Menschen, die an den Ansprüchen des Lebens gescheitert sind, die randständig sind, sündig geworden sind. Das fängt mit Adam und Eva an und zieht sich durch die Propheten, Evangelien bis hin zu den paulinischen Briefen durch. So sagt Jesus in Mt. 9,20: [...] Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Geht aber und lernt, was es heisst: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Auch wenn uns das Unvollkommene immer wieder an unserem Leben, an unserer Baustelle stören mag, sind wir vom lebendigen Gott selber eingeladen uns mit Barmherzigkeit dem Unvollkommenen in und an uns und in unserem Leben zu stellen und es als Teil unseres Selbst zu akzeptieren.
Und wo bleibt nun das Positive, das ich über unsere Baustelle berichten wollte? Tja, ehm, ja, vielleicht ein andermal...
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