Dienstag, 20. Oktober 2015

Über die Gestaltungsmöglichkeiten eines Electro-Pastors

Pfarrer sein ist doch der schönste Beruf der Welt! In keinem Beruf hat man so viel Freiheiten, man kann im Prinzip tun und lassen, was man will. Anders im Beruf des Elektromonteurs. Da ist vieles - eigentlich alles vorgegeben. Heute war es das Einlegen der ersten Etappe der letzten Decke des C- Hauses. Klar gibt es im Pfarramt auch Fixtermine, wie Unterricht, Sitzungen, Gespräche doch einen grossen Teil dieser Termine kann sich der Pfarrer selber einteilen oder in der Jahresplanung organisieren etc.. Anders der Elektromonteur: Der Chef oder der Vorarbeiter sagt wann, wo, welche Arbeit getan werden muss. Man kann nicht eben so schnell z.B. zur Post, wie das der Pfarrer kann, man kann nicht eben husch auf ein Amt anrufen, oder privat eine Mail schreiben. Wenn der Elektromonteur am arbeiten ist, ist er am arbeiten. Der Chef sieht es nicht gerne, wenn während der Arbeitszeit private Angelegenheiten erledigt werden. Der Pfarrberuf bietet so viele Freiheiten, dass die grosse Freiheit mit der Gefahr einher geht sich zu überfordern. Es wäre immer noch vieles zu tun, was aber den zeitlichen Rahmen eines Arbeitstages und die inneren Möglichkeien eines Menschen sprengt. (Wagner-Rau 2009, S. 27) Anders der Elektromonteur: um 16.45Uhr frage ich meine Kollegen: "Braucht ihr mich noch?" Eine rhetorische Frage, die mit "nein" zu beantworten ist. Dann mache ich mich vom Acker, habe Feierabend, gehe heim, oder wohin es mich sonst zieht.
Das Pfarramt bietet unglaublich viel kreatives Potential. Ich kann als Pfarrer meine Stelle selber gestalten. Auf der anderen Seite wird "Den Einzelnen viel an eigener Strukturierungsleistung abverlangt, bis eine produktive Spannung entsteht zwischen klar beschriebenen Aufgaben und Zielen und einem Freiraum, der eine Bedingung für Spontaneität und Kreativität ist."  (Wagner-Rau 2009, S. 28). Der Beruf des Elektromonteurs ist viel stärker strukturiert, besonders auf dem Neubau, wo alles geplant und durchdacht ist (sein sollte). In der klaren Definition der Aufgabe im Alltag des Baustromers, besteht doch immer wieder erstauntlich viel Spielraum, wie die ganz klar umrissenen Aufgaben ausgeführt werden können, hier ein Beispiel vom Einlegen heute, das illustrieren soll, welche Spielräume eine so klar definierte Aufgabe wie das Einlegen noch bietet:

Hier auf dem Bild sieht man wir ein blaues 20er- Rohr in einen Schalungsschoner geführt wurde. Das Rohr verläuft aus dem Schalungsschoner kommend über ein Armierungseisen, wo es angebunden wurde. Wenn jetzt der Eisenleger mit seinen massiven Schuhen aufs Rohr tritt, ist es zerquetscht und man kann nie mehr etwas einziehen. Ein kleiner Handgriff, einen kurzen Moment der Reflexion und ein massives Problem kann ohne Mehraufwand vermieden werden.




Wie der Laie nun leicht erkennen kann, verläuft das Rohr nun unter dem Eisen. Der Eisenleger kann es nicht mehr so rasch zertreten und beim Einziehen geht es erst noch besser, da das Rohr keinen so ausgeprägten Knick macht. Sollte der Schalungsschoner am falschen Ort sein, kann dann das Rohr erst noch einfacher herausgespitzt werden.
Man sieht, einfache Handgriffe müssen eingeübt sein und beherrscht werden. Auch bei einfachen vorgebenen Arbeiten kann viel Gestaltungsspielraum bestehen, wenn man den Kopf bei der Sache hat. Wagner-Rau schreibt hierzu im Blick aufs Pfarramt: Die Frage, was sinnvoll zu tun sei, erfordert nicht nur eine differenzierte Wahrnehmung der Lage, sondern auch klare Entscheidungen für, aber ebenso gegen mögliche und sinnvolle, vielleicht sogar notwendige Aktivitäten. (Wagner-Rau 2009, S. 29). Interessant, dass dieser Satz sowohl für die Situation des Elektromonteurs wie auch für die Situation des Pfarrers gelten kann, einfach mit je verschiedenen Vorzeichen: Auf dem Bau trifft diese Aussage für ein klar definiertes Tätigkeitsfeld zu, im Pfarramt auf ein ausgesprochen wenig definiertes.

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