[...] in wachsendem Mass [werden] die materiellen, personellen und geistlichen Grenzen spürbar, die das kirchliche Leben bestimmen. Die fetten Jahre sind vorbei. Darauf muss man sich einstellen. (Wagner-Rau 2009, S. 13)
So und so ähnlich tönt es Land auf Land ab. Studien werden von fast jeder Landeskirche in Auftrag gegeben und alle kommen zu diesem Schluss: Die Reformierten werden immer älter, weniger und ärmer, ich kann es schon fast nicht mehr hören. Pfarrstellen werden gekürzt, Gottesdienste fallen aus, Unterricht wird vielerorts nur noch abgedeckt und nicht mehr erteilt, die Seelsorge kann gerade in kleineren Gemeinden kaum mehr gewährleistet werden. Jammer über Jammer und Jammer hoch Jammer.
Heute habe ich Trockenbau gemacht, gespitzt, gefräst, Rohre verlegt und dazu X-Mal the seven thinking steps am Radion anhören müssen, aber darum geht es mir heute nicht. Ich hatte von meinem Arbeitsplatz aus folgende Aussicht:
Inmitten der Baustelle, einige wenige Bäume, die von der alten Siedlung noch übrig geblieben sind, in herbstlichen Farben. Mitten im verwüsteten Umschwung der einstigen Siedlung eine Oase Natur im Herbstkleid, so dass der Baustromverteiler (der gelbe Kasten in der Mitte) schon etwas erratisch wirkt.
Betrachten wir die herbstliche Oase Natur als Bild für die Kirche, dann kann man tatsächlich den verflossenen Sommer, die fetten Jahre bejammern. Man kann um jedes Blatt trauern, das zu Boden gleitet, wie wir jedes Mitglied beklagen, das austritt. Irgendwann, wird der Baum kahl sein, das lässt sich nicht verhindern. Übertragen auf die Kirche würde dies bedeuten, irgendwann gibt es keine Mitglieder mehr und dann ist der Ofen aus.
Doch ist der herbstliche Baum wirklich das passende Bild für die Situation der Kirche? Wohl kaum! Mir Gefällt das Baugerüst, auf der rechten Seite des Bildes wesentlich besser: Etwas neues ist am entstehen. Neben dem Vergangenen findet ein kreativer Prozess statt. Klar musste viel weichen, in unserem Fall eine ganze Wohnsiedlung, damit etwas neues entstehen konnte, doch die Kreativität, die Vorfreude aufs Neue überwiegt bei weitem. Ich möchte die Situation der Kirche eher im Sinne des Baugerüstes sehen: Ein Ort an dem Neues entstehen kann, ein Ort der Kreativität, dass dabei das eine oder andere weichen muss, wird sich wohl kaum vermeiden lassen, wenn die Kirche nicht gleich einem Baum im Herbst enden soll, der unvermeidlicherweise Blatt um Blatt all seine Blätter verlieren wird, bis er ganz kahl da steht.
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