Freitag, 30. Oktober 2015

Über die Eschatologie der Baustelle


Ma, isch verrugt wie Sit vergeit, isch wie eine Sigarette, schwub ist sie weg. So oder so ähnlich hat heute ein Kollege zum Ausdruck gebracht, dass diese Woche so schnell vorbei gegangen ist. Ja, meine Lieben, das war die 5. Woche als Elektromonteur, kaum zu fassen. Mehr als ein Drittel meines Projekts ist nun bereits vorbei, das hat mich natürlich nachdenklich gestimmt. So kam ich auf die Eschatologie der Baustelle. Eschatologie ist ja die Lehre vom Ende. Wir arbeiten auf unserer Baustelle auf ihre Vollendung hin. Ziel unseres Schaffens ist die Metamorphose, die Verwandlung von einer Baustelle zu einem fix fertigen Wohnquartier, das vielen Menschen Lebensraum, ein zu Hause bieten wird. Jeden Tag arbeiten wir mit Hochdruck daran, uns alle überflüssig zu machen. So gesehen sind wir Handwerker nur Gäste auf dieser Baustelle, wir sind Reisende, die hier einen Moment bleiben um dann wieder weiter zu ziehen. Auf der Baustelle leben, essen und arbeiten wir zusammen, wir Handwerker, Arbeiter, Büezer, aus verschiedenen Nationen, mit verschiedenen Hautfarben, verschiedene Sprachen sprechend. Die Gemeinschaft besteht nicht, sie entsteht in den vielfältigen Begegnungen. Schreibt Wagner-Rau (2012) auf Seite 98 natürlich auf die Kirchgemeinde bezogen, aber hat dieser Satz auch Gültigkeit für unser Leben auf der Baustelle? Kirche ist doch beständiger, verbindlicher, gefestigter, als die Gemeinschaft auf einer Baustelle? Ist das wirklich so? Haben wir Menschen nicht einfach unsere Baracke mehr oder weniger zufällig auf diesen Flecken Erde gestellt bekommen und bewohnen die, Wir arbeiten und gestalten unser Leben, letztlich diese Welt mit dem, was wir machen. Mal verschieben wir unsere Baracke auf eine andere Baustelle oder bleiben, wenn es hier noch Arbeit gibt. Irgendwann ist dann Schluss, für unsere persönliche Baustelle "Leben", Schluss, weil die Baustelle Leben vollendet ist. Es ist dann Umzugstermin von der Baracke, die auf dieser Erde keinen Bestand hat, in ein nigel nagel neues Haus, das Haus des ewigen Lebens.

So, genug der Tiefsinnigkeiten. Das wars für diese Woche, meine Lieben, Wochenende, geniesst es, ich tue es auch und sehne mich mit Wehmut der Vergänglichkeit meiner Zeit auf der Baustelle nach dem Montag.

Euer Electro-Pastor

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Vom Zynismus der Rohrsuche

Horrorbetonwand mit den Hilti-Einschlägen
der erfolglosen Rohrsuche.
Arbeiten auf dem Bau ist schön! Arbeiten im Pfarramt ist schön! Bedingungslos schön? Nicht immer, manchmal bedingungslos schön. Ja es gibt schöne Momente, aber es gibt die anderen auch und von denen schreibe ich heute. Es geht um die Momente, in denen nicht alles nach Plan läuft. Nicht alles nach Plan läuft? Viel mehr in denen nichts nach Plan läuft, Momente, die davon zeugen, dass der Plan schlicht ignoriert wird, dass der Plan de facto inexistent ist. Es geht um unsere liebe Horror-Betonwand.
Irgendwie wurde hier vergessen diese einzulegen. Zwar, nein, kann auch nicht sein, irgendwas ist eingelegt, doch leider nur falsch nicht alles, irgendwie ist bei dieser Wand alles schief gelaufen. Aber nicht nur hier, in der anderen Wohnung hat es zwar ein Multimediarohr, doch das führt ins Juhe. OK, das kann ja passieren, dass mal was nicht läuft, doch nein jetzt findet der Chefmonteur noch ein Kästchen, wunderschön nach allen Regeln der Kunst in der Backsteinwand eingelassen, nur fehlt das Rohr gänzlich! Alles ein Fall für den Electro-Pastor, mit Horror und Verwünschungen kennen wir uns ja von Berufswegen aus, denn es steht schliesslich geschrieben: Lass dich vom Bösen nicht besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute. Röm. 12,21 
Electro-Pastor beim Spitzen
Das Böse durch das Gute besiegen, heisst, auch in diesem Fall, spitzen, viel spitzen und den Beton sägen, viel sägen. Einen ganzen Tag für drei Rohre, die vor dem Betonieren in einer halben Stunde eingelegt gewesen wären.
Was ich heute erlebt habe, sind Situationen, die in den verschiedensten Bereichen des Lebens immer wieder vorkommen, in gewissen Lebenslagen oder bei vielen Menschen sogar ein Dauerthema sind. Man kämpft gegen etwas an, man arbeitet und arbeitet und hat das Gefühl nicht vorwärts zu kommen. Oder man ist mit einer Situation, im schlimmsten Falle mit dem Leben an sich, gänzlich überfordert. Dann ist es nicht erstaunlich, wenn Menschen mit Zynismus reagieren:

Verschriftlichter Zynismus auf Multimedia-Roh
tot, Ruhe sanft in Frieden habe ich auf das Multimediarohr geschrieben, das irgendwo im Juhe verschwindet. Der beissende Spott, der Zynismus über etwas, das an sich ja nicht lustig ist, hilft in der betreffenden Situation Ruhe zu bewahren und einen klaren Kopf zu behalten. Unser Zynismus mit den Rohren auf dem Bau ist nicht weiter schlimm, es hängt ja nicht unser Leben daran. Wenn sich Zynismus aber bei lebenswichtigen Bereichen breit zu machen droht oder Zynismus gar das Leben beherrscht, kann eine Meditation über Römer 12,21 vielleicht wirklich nicht schaden: Lass dich vom Bösen nicht besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute.
Nach 8,5 Stunden, Werk vollendet!
Wunderschönes Beispiel von
pastoraler Gipskunst

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Ich habe keinen Plan!

Abbildung 1
Wenn ich meine SchülerInnen manchmal etwas frage, das sie nicht wissen, sagen sie: "Ich habe keinen Plan!" Keinen Plan haben, heisst ich weiss es nicht. Zum Glück haben wir auf der Baustelle Pläne, jede Menge sogar, aktuelle, weniger aktuelle, richtige, weniger richtige....
Ein Plan ist eine gute Sache, er ist das schriftliche Ergebnis, das Zeugnis eines Planungsprozesses, in dem viele Überlegungen gemacht wurden. Der Plan legt Zeugnis ab, dass sich jemand irgendwas überlegt hat und diese Überlegungen wurden auf dem Plan dokumentiert. Nun ist unsere Baustelle ein Projekt, an dem viele Leute herumdenken, umso wichtiger sind die Pläne, die all diese wertvollen Gedanken verschriftlichen und zusammen fassen. Der Verschriftlichungs- Zusammenfassungs- und Dokumentationsprozess ist bei der Planung sehr wichtig, denn alle Entscheidungen und Beschlüsse, die die Planer gefällt haben, müssen auf dem Plan dokumentiert sein und somit bekannt gemacht werden.
Wenn dann aber zwischen der Planung der Situation vor Ort eine Diskrepanz auftritt, ist entweder zu wenig gedacht worden oder das Gedachte wurde nicht dokumentiert. Beispiel: Wie der geneigte Leser, die geneigte Leserin unschwer erkennen kann, müsste bei der Bleistiftspitze auf Abbildung 1 eine Aussparung eingezeichnet sein, müsste, Konjunktiv irrealis, ist aber nicht, wie man auf Abbildung 1 unschwer erkennen kann:
Abbildung 3
Abbildung 2
Auf dem Bild ist nur eine Aussparung zu sehen es müssten aber zwei sein. Wenn nur eine Aussparung zu sehen ist, geht der normale Stromer davon aus, dass nur eine Aussparung vorgesehen ist, aber weit gefehlt, in der Wohnung nebenan stellt sich die Situation wie auf Abbildung 3 dar:
Auch der Laie kann unschwer erkennen, dass hier eine Aussparung aufgenagelt ist. Nun was heisst das für die Situation auf Abbildung 2? vermutlich, möglicherweise, ja vielleicht, möglich ist es, oder auch nicht, oder doch? dass dort, wo jetzt keine Aussparung ist, dann eine Kernbohrung gemacht werden muss, weil mutmasslich die Aussparung vergessen wurde. Wenn wir jetzt all die Rohre, die auf dem Bild zu sehen sind, über die Fläche geführt hätten, auf der mutmasslich die Kernbohrung gemacht wird, hätten meine Kollegen spitzen können, ja die hätten die ganze Hütte ja schon fast wieder abgerissen.
Da gilt das Bibelwort aus Jesaja 29,15: Wehe denen, die ihren Plan in der Tiefe verbergen vor dem HERRN und ihre Taten an finsterer Stätte verüben und sagen: Wer sieht uns, und wer weiss von uns?
Der Plan von der Aussparung war tatsächlich für uns in der Tiefe verborgen, Dank des geschulten Auges und der scharfen Analyse meines Kollegen konnte er den Plan der drohenden Kernbohrung ans Licht zerren und so verhindern, dass unsere Rohre durchtrennt werden und meine Kollegen hätten spitzen müssen, bis ihnen die Arme abfallen. Und was lernen wir? Traue niemals einem Plan, egal welchem ohne dabei sehr viel selber gedacht zu haben.

Dienstag, 27. Oktober 2015

Was hat die Veränderung in der Kirchenlandschaft mit Schlitzschrauben zu tun?

Ich habe ja im Blog von gestern die These aufgestellt, meine Kollegen wären wenig begeistert von Schlitzschrauben. Heute hatte ich die Gelegenheit diese These zu überprüfen und ich kann bei aller Wissenschaftlichkeit sagen: sie ist absolut wahr! Ich habe nämlich vorgeschlagen Schlitzschrauben zu bestellen, da brach ein Geschrei des Entsetzens los, bloss das nicht, Einzugschnur (Darüber muss ich unbedingt mal berichten) unseretwegen, die hat wenigstens eine Funktion, aber Schlitzschrauben? Die sind wirklich passée. Schade! Dabei sehen die doch so schön edel aus, können sogar mit einem Militärsackmesser eingedreht werden, zur Not geht sogar ein Tafelmesser oder ein Schlüsselanhänger alles kein Problem, (Nur mit dem Akkuschrauber lassen sich die Dinger nicht eindrehen!) versuchen Sie das alles mal mit einer Torx- Schraube!
Wer sich, wie ich hier mit meinen Schlitzschrauben, so verbittert am Alten festkrallt, hat irgend ein Problem, fühlt sich irgendwie vom Neuen bedroht. Vielleicht ist es die Angst, das was man mal gelernt hat, das was einem Halt gibt, zu verlieren. Wer auf alten Zöpfen besteht ist möglicherweise verunsichert, was seine Stellung in seiner aktuellen Umgebung angeht. Wer sich konsequent dem Neuen verschliesst ist möglicherweise der Ansicht, dass man mit dem Althergebrachten nichts falsch machen kann. Dabei ist gerade das der Fehler! Nichts ist so falsch, wie sich konsequent und unreflektiert dem Neuen, den Veränderungen zu verschliessen.

Immer wieder hört man, wenn die Gesellschaft angeblich schwere Zeiten durchlebt, es finde eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte statt. Mit dieser Aussage habe ich mehrfache Probleme: Was ist eigentlich eine "Rückbesinnung"? Eigentlich geht das gar nicht, man kann sich nicht "rückbesinnen", denn die Welt steht ja nicht still, die rotiert auf dem Äquator mit immerhin 1670 Km/h, das ist ziemlich schnell um die Erde auch nur mental mit einer "Rückbesinnung" aufhalten zu wollen. Die Rückbesinnung ist immer eine Interpretation der Zeit in die man sich zurück besinnt. Und weil der Mensch dazu neigt sich ans Schöne zu erinnern und das Schwere zu vergessen, ist eine Rückbesinnung (auch auf Schlitzschrauben) immer eine idealisierte Betrachtungsweise dessen, an das man sich zurückbesinnt. Und jetzt noch die traditionellen Werte: tradere lat. heisst u.A. überliefern berichten. Auch der Begriff traditionell ist eine Frage dessen, was man berichten, überliefern möchte. Traditioneller weise hat man früher seine Notdurft im Stall bei den Tieren verrichtet, traditioneller weise hat man sich mit dem kalten Brunnenwasser gewaschen, traditionellerweise sind ca. 50% aller Frauen an den Folgen einer Geburt gestorben, traditioneller weise hat man mit Holz geheizt, hat man 60 Stunden und mehr die Woche gearbeitet, hatte man keinen Kündigungsschutz, keine Sozialversicherung, kein Frauenstimmrecht, keine Krankenkassen etc. etc.. Wer sich auf traditionelle Werte zurück besinnt, muss auch bereit sein, sich auf die rückständigen unbequemen Aspekte der Vergangenheit zurück zu besinnen. Und dann stellt sich erst noch die Frage, in welche Vergangenheit, in welche Epoche besinnt man sich zurück? In welcher Epoche sind unsere Traditionen verwurzelt? Schliesslich ist noch der Begriff "Wert" oder "Werte". Was ist ein Wert, auch dies ist sehr subjektiv: Für mich sind es z.B. die alten Schlitzschrauben und die alten Paul Baumann Schraubenzieher aus Chrom Vanadium. Dann die guten alten Hausinstallationsvorschriften und die Telephonvorschriften B 191. Für andere sind ganz andere Dinge Werte: effizientes sauberes Arbeiten, oder schnell Feierabend ohne sehr müde zu sein, oder mit den Trainerhosen zur Arbeit zu kommen oder weiss ich was. von diesen drei Begriffen sind die "Werte" die subjektivsten.

Es ist klar geht das alles nicht an der Kirche als Institution vorbei. Wagner-Rau stellt hier schon fast so etwas wie eine Regel auf: Je kirchennäher, und christlich-religiös gestimmter, desto älter, lokaler, traditioneller in den Lebensformen, ängstlicher und krisenbewusster, sowie gegenüber neuen Menschen und neuen Themen abgrenzender ist das [Kirchen]Mitglied. (Wagner-Rau 2012)
Als Electro-Pastor sollte ich wohl als gutes Vorbild voran gehen und morgen mit dem Akkuschrauber frisch, fromm, fröhlich, frei meine Torxschrauben eindrehen.

Montag, 26. Oktober 2015

Die Gretchenfrage nach den Schlitzschrauben

Torx, Kreuz- oder Schlitzschrauben? Das ist für mich eigentlich schon eine Gretchenfrage, statt: 
„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ (Aus Goethes Faust) zu: ¨Wie hältst Du es mit den Schrauben? Du bist ein herzlich guter Monteur, allein ich glaub, Du hältst nicht viel davon.¨
Die jungen Monteuere halten wirklich nichts von Schlitzschrauben, das ist etwas aus dem letzten Jahrhundert, nein, aus dem letzten Jahrtausend. Das ist etwas für alte Säcke, wie mich! Aber warum halten Menschen an etwas fest, das längst überholt, nicht mehr zeitgemäss, ja vielleicht ein völliger Unsinn ist?
Vielleicht weil das Vertraute, des einmal Gelernten Sicherheit gibt: Ich weiss, dass das, was ich tue, richtig ist. Ich kann mich auf meine Praxis, auf meine Erfahrung berufen: Ich mache das jetzt seit über 20 Jahren so, darum muss es richtig sein! (Dass man auch 20 Jahre lang etwas falsch machen kann soll hier nur am Rande erwähnt werden.)  
Also, Schlitzschrauben wird es wohl keine mehr geben auf dieser Baustelle, aber ich bestehe wenigstens darauf, meine Schrauben mit aller Liebe mit dem Schraubenzieher von Hand einzudrehen, denn so haben wird das vor über 20 Jahren gelernt (Obohl es damals schon Akkuschrauber gegeben hätte).

Freitag, 23. Oktober 2015

Ha geng ä chli Dräck uf dr Zunge und Stoub uf dr Lunge...

Heute habe ich mal wieder Beton gefräst. Beton kann man eigentlich gar nicht fräsen, man kann ihn genau genommen nur mit einer Diamantenbesetzten Scheibe schleifen, was dann einen Schlitz ergibt. Tja, wie man auf dem Bild unschwer erkennen kann, entwickelt schleifen Staub, viel Staub. Also war ich heute Morgen so richtig dreckig, so dreckig, dass mich der Polier, der mich zufällig in der Schiffbaracke antraf, fragte, was ich denn gemacht habe, dass ich so dreckig sei. Einen kurzen überflüssigen Moment fragte ich mich, ob ich denn in dem Aufzug am Feierabend auf den Zug gehen könne. Warum fragt sich ein Handwerker, der hart gearbeitet hat, ob er sich mit seinen dreckigen Überhosen ausserhalb der Baustelle zeigen darf? Eigentlich müssten wir Handwerker ja stolz sein auf unsere dreckigen Überhosen, denn sie zeugen davon, dass wir gearbeitet haben, hart gearbeitet haben und das darf man ruhig sehen.
Ich erlebe in meinem Alltag als Pfarrer immer wieder, wenn ich Menschen spontan bei Arbeit antreffe, bei der man schmutzig wird, dass sie sich für ihre Arbeitskleidung entschuldigen. Ein Banker, der mir mit Krawatte und Veston begegnet, hat sich noch nie für seinen Aufzug entschuldigt. Ein Lehrer, der in den Alltagskleider Schule gibt, hat sich noch nie dafür entschuldigt. Scheinbar transportieren wir über die Kleidung mehr Wertvorstellungen, als uns bewusst ist. Und dreckige Arbeitskleidung scheint mit einem besonderen Stigma belegt zu sein, davon kann uns z.B. Gölä ein Lied singen, der weiss wovon ich spreche (siehe Video).
Arbeitskleider Schützen, nicht nur vor Unfällen, sondern sie transportieren eine Message: Der in den roten Hosen ist der Stromer, der in den blauen Hosen ist der Sanitär und die mit den weissen Helmen sind die Bauleitung (die übrigens dezidiert als einzige keine speziellen Arbeitskleider tragen). Der im schwarzen Rock ist der Pfarrer.
Und tatsächlich, kein Stromer würde mit den Trainerhosen auf der Baustelle arbeiten, er würde nicht einmal Material liefern in Trainerhosen, denn die Trainerhosen gehören in den Freizeitbereich und signalisieren Entspannung, Erholung, vielleicht auch Sportlichkeit (Gepaart mit einem Kaputzenjäggli jo man Kultur, Sprayer, Rumhänger etc.). Um wieder auf meine dreckigen Überhosen zurück zu kommen, ich trage sie mit Stolz, denn sie erzählen, dass ich einer bin, der den ganzen Tag hart gearbeitet hat. Und das darf man ruhig sehen.

So, Wochenende, wir bloggen uns am Montag wieder. Geniesst es.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Whatever can go wrong will go wrong

Mein grösstes Bestreben ist es effizient zu sein. Ich hasse es, wenn ich arbeite und nichts dabei herausschaut. Heute Morgen haben wir eingelegt, zwar nur eine kleine Decke, aber dafür mit echt vielen und echt grossen Rohren. 4.5 Stunden Arbeit, aber am Schluss sieht man, was man gemacht hat ein grosser Lohn für die Arbeit. Am Nachmittag dann das Gegenteil: Rohre verlängern, das Material in einen anderen Teil dieses sehr weitläufigen Gebäudekomplexes bringen, dort den Arbeitsplatz wieder neu einrichten, eine Tätigkeit, die auf dieser Baustelle sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. So freute ich mich gegen Feierabend noch ein Rohr in den Betonboden einfräsen zu dürfen, eine Arbeit von der man dann wieder etwas sieht. Ich steckte die Kabelrolle ein. Kein Strom. Also in die Baracke wackeln, Stecker holen, Secker wechseln, alles wieder einrichten. Gut, Kabelrolle funktioniert.
Jetzt wollte ich einen Dübel in den Boden bohren, damit ich die Schlagschnur daran befestigen kann, damit ich dann die Wand, die dort eingezogen wird anzeichnen kann. Also Bohrmaschine auf der ganzen Baustelle suchen. Endlich habe ich sie irgendwo einsam und alleine ölverschmiert gefunden. Ölverschmiert, kein gutes Zeichen. Ich steckte den 5er Bohrer ein, die Maschine drehte zwar, aber hat keinen Schlag. Also holte ich eine andere Maschine. Die drehte nur sporadisch, also Wackelkontakt. Ich habe die Maschine auseinander genommen, das Kabel neu angeschlossen und oh Flunder, ich konnte mein erstes von zwei Löchern bohren. Als ich die Maschine zum zweiten Loch ansetzen wollte, war wieder tote Hose, die Maschine machte keinen Wank. Das kann nur der Stecker sein. Also den zweiten Stecker an diesem Nachmittag wechseln. Dann, man glaubt es kaum, konnte ich auch noch das zweite Loch bohren. Feierabend, alles, was ich vor über einer Stunde mühsam eingerichet hatte um arbeiten zu können musste ich wieder wegräumen.

Was lernen wir nun daraus?
  1. wenn etwas schief geht, geht alles schief. murphy's law
  2. man kann noch so wollen, man kann manchmal noch so engagiert vorwärts streben, Es müssen auch die Umstände gegeben sein, damit man vorwärts kommen kann. Wenn die Bohrmaschine defekt ist, muss ich sie reparieren, damit ich wieder vorwärts arbeiten kann. Wenn die Kabelrolle defekt ist, muss ich sie reparieren, um damit arbeiten zu können. (Und es gibt Kabelrollen, die würde man besser einbetonieren, weil sie einem so aufregen, sorry aber das musste gesagt sein). 
    Aufs Leben bezogen, kann ich noch so etwas wollen, kann ich mir noch so Mühe geben, ein Ziel zu erreichen, kann ich noch so genau wissen, wie ich meinen Lebensweg gestalten will, wenn die Umstände nicht mitspielen wird es schwierig die gesteckten Ziele zu erreichen.
  3. Demut. Solche Übungen, wie diese heute Nachmittag, wenn sie einem noch so nerven lehren einem Demut. Mein Wille, meine Schaffenskraft, das was ich erreichen will, was ich mir und anderen gegenüber ausweisen will, kann nicht alles sein im Leben. Grosse Pläne, geniale Konzepte, eingeschlagene Wege scheitern an Kleinigkeiten, an nebensächlichen Chrims-Chrams, der so nebensächlich ist, dass man gar keine Gedanken daran verschwenden mag. Diese Kleinigkeiten wie eben der Stecker an der Bohrmaschine lehren einem dann, sich auch wieder den kleinen Dingen im Leben zuzuwenden. Demut heisst hier in meinem Fall, meinen eigenen Willen, meine Pläne und Ziele für diesen Tag dem Stecker der Kabelrolle, der Bohrmaschine unterzuordnen und mich darauf zu besinnen, dass ich nicht immer in dem Tempo, in diese Richtung gehen kann, in die ich gehen will. Weder bei der Arbeit auf der Baustelle, noch im Leben ganz allgemein.

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Heute haben wir Rohre ausgemittelt. Normalerweise tun wir das mit dem Einzugsband, doch das Band war leider zu kurz, das heisst das Rohr war zu lang. Da hilft nur noch Plan B, trompeten. So habe ich, wie in alten Zeiten, (in meiner Lehre haben wir oft Rohre so ausgemittelt) ins Rohr trompetet. Und das sieht dann so aus:
Der Maistro beim Ausüben seiner Kunst!

Zugegeben, andere Musiker sehen edler aus, bei der Ausübung ihrer Kunst, aber darum soll es hier ja auch nicht gehen, der Klang zählt, nichts weiter.
Schon seit meiner Lehre verfeinere und perfektioniere ich die hohe Kunst des Rohrblasens, so dass ich heute zu den besten dieser Kunstgattung gehöre. Heute bin ich so gut, dass ich Konzerte gebe und meine Zuhörer auf der Baustelle herumirren und möglichst schnell das andere Ende des Rohrs suchen, damit ich endlich wieder aufhöre. Heute zum Beispiel habe ich unser Kirchenlied RG 247 1-11 auf dem Rohr gespielt:
Eigentlich habe ich ja ein äusserst ambivalentes Verhältnis zur Kirchenmusik, eigentlich sollte ich ja froh sein, ein halbes Jahr mich nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen.
Die Kirchenmusik ist ja weit mehr noch als der Wortgottesdienst ein Bild für die, positiv formuliert, Beständigkeit der Kirche. Seit Jahrhunderten singt und spielt man in der Kirche die selben Lieder, man predigt zwar auch das selbe Evangelium. Doch bei der Predigt haben sich wenigstens die Sprache, Themen und die Bilder geändert, die in den Predigten gebraucht werden. Doch die Kirchenmusik bleibt wie eh und je die selbe.
Ich sehe die Kirchenmusik als Bild dafür, wie wir als Gesellschaft die Kunst der Nachhaltigkeit [üben sollten,] die Erneuerung ermöglicht, aber zugleich auf Bindungen, Einstellungen und Werten beharrt, die theologisch verantwortet sind und sich als lebensförderlich erwiesen haben. (Wagner-Rau (2012) S. 38).
Eigentlich wollte ich nach meinem Studienurlaub die Orgel durch Elektrorohre ersetzten und Electro-Church-Musician werden, doch ich denke, das lassen wird doch lieber, die Zeit ist noch nicht reif...

Dienstag, 20. Oktober 2015

Über die Gestaltungsmöglichkeiten eines Electro-Pastors

Pfarrer sein ist doch der schönste Beruf der Welt! In keinem Beruf hat man so viel Freiheiten, man kann im Prinzip tun und lassen, was man will. Anders im Beruf des Elektromonteurs. Da ist vieles - eigentlich alles vorgegeben. Heute war es das Einlegen der ersten Etappe der letzten Decke des C- Hauses. Klar gibt es im Pfarramt auch Fixtermine, wie Unterricht, Sitzungen, Gespräche doch einen grossen Teil dieser Termine kann sich der Pfarrer selber einteilen oder in der Jahresplanung organisieren etc.. Anders der Elektromonteur: Der Chef oder der Vorarbeiter sagt wann, wo, welche Arbeit getan werden muss. Man kann nicht eben so schnell z.B. zur Post, wie das der Pfarrer kann, man kann nicht eben husch auf ein Amt anrufen, oder privat eine Mail schreiben. Wenn der Elektromonteur am arbeiten ist, ist er am arbeiten. Der Chef sieht es nicht gerne, wenn während der Arbeitszeit private Angelegenheiten erledigt werden. Der Pfarrberuf bietet so viele Freiheiten, dass die grosse Freiheit mit der Gefahr einher geht sich zu überfordern. Es wäre immer noch vieles zu tun, was aber den zeitlichen Rahmen eines Arbeitstages und die inneren Möglichkeien eines Menschen sprengt. (Wagner-Rau 2009, S. 27) Anders der Elektromonteur: um 16.45Uhr frage ich meine Kollegen: "Braucht ihr mich noch?" Eine rhetorische Frage, die mit "nein" zu beantworten ist. Dann mache ich mich vom Acker, habe Feierabend, gehe heim, oder wohin es mich sonst zieht.
Das Pfarramt bietet unglaublich viel kreatives Potential. Ich kann als Pfarrer meine Stelle selber gestalten. Auf der anderen Seite wird "Den Einzelnen viel an eigener Strukturierungsleistung abverlangt, bis eine produktive Spannung entsteht zwischen klar beschriebenen Aufgaben und Zielen und einem Freiraum, der eine Bedingung für Spontaneität und Kreativität ist."  (Wagner-Rau 2009, S. 28). Der Beruf des Elektromonteurs ist viel stärker strukturiert, besonders auf dem Neubau, wo alles geplant und durchdacht ist (sein sollte). In der klaren Definition der Aufgabe im Alltag des Baustromers, besteht doch immer wieder erstauntlich viel Spielraum, wie die ganz klar umrissenen Aufgaben ausgeführt werden können, hier ein Beispiel vom Einlegen heute, das illustrieren soll, welche Spielräume eine so klar definierte Aufgabe wie das Einlegen noch bietet:

Hier auf dem Bild sieht man wir ein blaues 20er- Rohr in einen Schalungsschoner geführt wurde. Das Rohr verläuft aus dem Schalungsschoner kommend über ein Armierungseisen, wo es angebunden wurde. Wenn jetzt der Eisenleger mit seinen massiven Schuhen aufs Rohr tritt, ist es zerquetscht und man kann nie mehr etwas einziehen. Ein kleiner Handgriff, einen kurzen Moment der Reflexion und ein massives Problem kann ohne Mehraufwand vermieden werden.




Wie der Laie nun leicht erkennen kann, verläuft das Rohr nun unter dem Eisen. Der Eisenleger kann es nicht mehr so rasch zertreten und beim Einziehen geht es erst noch besser, da das Rohr keinen so ausgeprägten Knick macht. Sollte der Schalungsschoner am falschen Ort sein, kann dann das Rohr erst noch einfacher herausgespitzt werden.
Man sieht, einfache Handgriffe müssen eingeübt sein und beherrscht werden. Auch bei einfachen vorgebenen Arbeiten kann viel Gestaltungsspielraum bestehen, wenn man den Kopf bei der Sache hat. Wagner-Rau schreibt hierzu im Blick aufs Pfarramt: Die Frage, was sinnvoll zu tun sei, erfordert nicht nur eine differenzierte Wahrnehmung der Lage, sondern auch klare Entscheidungen für, aber ebenso gegen mögliche und sinnvolle, vielleicht sogar notwendige Aktivitäten. (Wagner-Rau 2009, S. 29). Interessant, dass dieser Satz sowohl für die Situation des Elektromonteurs wie auch für die Situation des Pfarrers gelten kann, einfach mit je verschiedenen Vorzeichen: Auf dem Bau trifft diese Aussage für ein klar definiertes Tätigkeitsfeld zu, im Pfarramt auf ein ausgesprochen wenig definiertes.

Montag, 19. Oktober 2015

Herbstlicher Baum oder Baugerüst?

[...] in wachsendem Mass [werden] die materiellen, personellen und geistlichen Grenzen spürbar, die das kirchliche Leben bestimmen. Die fetten Jahre sind vorbei. Darauf muss man sich einstellen. (Wagner-Rau 2009, S. 13)
So und so ähnlich tönt es Land auf Land ab. Studien werden von fast jeder Landeskirche in Auftrag gegeben und alle kommen zu diesem Schluss: Die Reformierten werden immer älter, weniger und ärmer, ich kann es schon fast nicht mehr hören. Pfarrstellen werden gekürzt, Gottesdienste fallen aus, Unterricht wird vielerorts nur noch abgedeckt und nicht mehr erteilt, die Seelsorge kann gerade in kleineren Gemeinden kaum mehr gewährleistet werden. Jammer über Jammer und Jammer hoch Jammer.
Heute habe ich Trockenbau gemacht, gespitzt, gefräst, Rohre verlegt und dazu X-Mal the seven thinking steps am Radion anhören müssen, aber darum geht es mir heute nicht. Ich hatte von meinem Arbeitsplatz aus folgende Aussicht:
Inmitten der Baustelle, einige wenige Bäume, die von der alten Siedlung noch übrig geblieben sind, in herbstlichen Farben. Mitten im verwüsteten Umschwung der einstigen Siedlung eine Oase Natur im Herbstkleid, so dass der Baustromverteiler (der gelbe Kasten in der Mitte) schon etwas erratisch wirkt.
Betrachten wir die herbstliche Oase Natur als Bild für die Kirche, dann kann man tatsächlich den verflossenen Sommer, die fetten Jahre bejammern. Man kann um jedes Blatt trauern, das zu Boden gleitet, wie wir jedes Mitglied beklagen, das austritt. Irgendwann, wird der Baum kahl sein, das lässt sich nicht verhindern. Übertragen auf die Kirche würde dies bedeuten, irgendwann gibt es keine Mitglieder mehr und dann ist der Ofen aus.

Doch ist der herbstliche Baum wirklich das passende Bild für die Situation der Kirche? Wohl kaum! Mir Gefällt das Baugerüst, auf der rechten Seite des Bildes wesentlich besser: Etwas neues ist am entstehen. Neben dem Vergangenen findet ein kreativer Prozess statt. Klar musste viel weichen, in unserem Fall eine ganze Wohnsiedlung, damit etwas neues entstehen konnte, doch die Kreativität, die Vorfreude aufs Neue überwiegt bei weitem. Ich möchte die Situation der Kirche eher im Sinne des Baugerüstes sehen: Ein Ort an dem Neues entstehen kann, ein Ort der Kreativität, dass dabei das eine oder andere weichen muss, wird sich wohl kaum vermeiden lassen, wenn die Kirche nicht gleich einem Baum im Herbst enden soll, der unvermeidlicherweise Blatt um Blatt all seine Blätter verlieren wird, bis er ganz kahl da steht.

Freitag, 16. Oktober 2015

Die grosse Kunst des ganz normalen Tagwerks

"Was ist Kunst?" Das haben wir uns gefragt, als wir letzten Sonntag die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle  angeschaut haben. Da hat doch einer tatsächlich Umzugsdecken auf einen Lattenrost gespannt und diese in der ganzen Kunsthalle in jedem Raum aufgehängt. X-Mal das selbe, einfach aufgespannte Umzugsdecken, im Erdgeschoss, wie im Untergeschoss. Ist das Kunst? Unsere kleinste Tochter wurde richtig wütend, denn sie hatte sich, glaube ich, auf eine Ausstellung mit Bildern gefreut und findet dort aufgespannte Umzugsdecken vor. Gut, wären es schöne oder auch abgefahrene Bilder gewesen, würde ich heute kaum einen Blog darüber schreiben, das hätte mich weit weniger beeindruckt.
Doch was ist unter "Kunst" zu verstehen? "Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses." (Stephen Fartig in: Kunst. Die ganze Geschichte) Nun dann bin ich ja ein Künstler, "jeder ist ein Künstler!" (Joseph Beuys.).
Ich habe heute als Elektro-Pastor ein Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht:


Sehen Sie links auf dem Bild die blauen Rohre, sehen Sie sie? Sind die nicht wunderschön? Wie sie in ihrer Parallelität verlegt sind und doch eine eigene Dynamik haben, gewissermassen eine Lebendigkeit eine Bewegung in ihrer Statik. Und wie sie das gelbe Siga- Klebeband umspielen, in einer Spannung dazu stehen, es teils verdecken, dem Siga-Klebeband dennoch seine Freiheit lassen. Und dann das Rohr ganz links. Wie es ausschert, und doch dazu gehört, es ist nicht einfach aussen vor, es ist trotz seines eigenen Weges ein Teil des Ganzen. Im Gegenteil, es entfernt sich um dann wieder zu den anderen Rohren zu finden! Ist das nicht ein geniales Bild für unser soziales Leben, für unser Handeln als Menschen, ja, für das Menschsein schlechthin? Schliesslich das blaue Rohr, das unten auf die Steckdose führt: Es ist nicht einfach das Ende der Leitung, vielmehr ein neuer Anfang (Dort wird dann der Staubsauger eingesteckt, das Rohr wird der Anfang der ewigen Diskussion sein, ob man wirklich jeden Samstag staubsaugen muss). Ein Anschluss an alle Optionen, an alle Möglichkeiten. Und die Anordnung der Briden, nein, die Anordnung der Briden, ist die nicht einzigartig?!?!?!?!?! Die oberste Reihe fällt nach rechts ab, die nächste Reihe ist eine Art moderater Zickzack, und die nächste Reihe - ist das nicht einzigartig komponiert- fällt nach links ab für dass dann die unterste Reihe gegen einander versetzt ist! Ich könnte ausflippen! Steht diese Anordnung, nicht gleichermassen für alle Optionen des Lebens, für die Möglichkeiten, die diese Welt, dieses Leben - nein gar dieses Universum - zu bieten hat? Die Briden in diesem Kunstwerk schreien förmlich all die Optionen heraus, die die zeitliche und räumliche Unendlichkeit zu bieten hat, versinnbildlichen gleichsam alle Optionen, die es in den letzten 13,7 Milliarden Jahren in diesem Universum je gegeben hat... .

Ich könnte noch Stunden lang über mein Kunstwerk labbern, was es aussagt, wie es entstanden ist, etc.. Ich könnte einen ganzen Kunsführer mit meinem Gebrabbel füllen und wer weiss, vielleicht würde sich sogar einen Depp finden, der mir diesen Unsinn abnimmt. Doch diese Rohre werden in den nächsten Wochen einmal hinter einer Gipsplatte verschwinden. Sie sind einfach ein Teil einer Installation und wenn alles funktioniert interessiert sich keine Sau mehr für meine blauen Elektrorohre. 
Genau das ist unser aller Schicksal. Wir alle erschaffen in unserem Tagwerk Kunst. Wenn wir arbeiten, sind wir Künstler in dem, was wir tun. Was wir den lieben langen Tag erarbeiten sind Kunstwerke des menschlichen Bemühens, diese Welt zu gestalten, zu verändern. Lasst uns deshalb täglich immer wieder einander unsere Kunstwerke bewundern. Lasst uns gegenseitig immer wieder loben, was wir im Schweisse unseres Angesichts (vgl. Gen. 3, 19) erschaffen.

So nun ist Wochenende, geniesst es, wir lesen uns am Montag wieder.

Euer Electro-Pastor


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Immer ist nie

Neben den aufregenden Arbeiten auf dem Bau hat der Electro-Pastor auch noch Vaterpflichen, heute war es ein Elternabend. Was jetzt hier so tönt als würde ich IMMMMMMER an die Elternabende meiner Kinder ginge, stellt sich in Tat und Wahrheit als absolute Ausnahme heraus. Meine Frau nötigte mich dazu, diesen Satz zu schreiben, sie drohte mir es sonst in einem Kommentar zu tun, also, Flucht nach vorne. Also erscheint heute kein Blog zu dem was ich heute getan habe, obwohl ich mir schon am Morgen ein spannendes, auf dem Bau immer wieder wiederkehrendes Thema in den Sinn gekommen ist, aber dazu morgen mehr oder vielleicht mache ich dann was ganz anderes und mein Thema für heute wird zum Plop, versandet im Nirvana meiner neuronalen Zuckungen
. Vielleicht nur noch eine Foto, wie ich heute ausgesehen habe, als ich von der Baustelle ging: Saudreckig aber pudelwohl.

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Die persönliche Kompetenz des Electro-Pastors

Heute lag in der Baracke der Bewertungsbogen für unseren Lehrling herum. Darauf werden seine Kompetenzen erfasst, erhoben gemessen. Ziel dieses Bogens wird eine Standortbestimmung sein, wo der Lehrling so nach 100 Tagen in der Lehre steht. Dann werden wohl Förderziele festgelegt um dem Lehrling zu helfen seine Kompetenzen als Elektroinstallateur, weiter und immer weiter zu verfeinern.
Kompetenz, immer dieses Wort Kompetenz. Alle Welt nimmt es in den Mund. Es tönt modern, es tönt gebildet, es tönt eben kompetent. Kompetenz kommt von lat. competere‚ zusammentreffen, ausreichen, zu etwas fähig sein, zustehen. Wie es mit den Kompetenzen des Lehrlings steht, wird nun erhoben, darüber brauchen wir uns den Kopf nicht mehr zu zerbrechen, aber wie sieht es aus mit der Kompetenz des Electro-Pastors, was bringt der für Kompetenzen mit?

Als Electro-Pastor muss man etwas vom Leben verstehen. 

Das heisst man sollte seine eigenen Stärken und Schwächen kennen, Bsp.: Der Pfarrer geht auf Hausbesuch. Er ist so Schuselig, dass er den Kaffee ausleert, dann schüttet er den Zucker statt in den Kaffee ins Saanekännchen, zum Schluss bekleckert er die blütenweisse Häkeldecke mit Kaffee (habe ich alles schon fertig gebracht). Hier muss festgehalten werden, schön essen ist nicht die Kernkompetenz des Electro-Pastors. Bein Verabschieden stellt er aber fest, dass das Licht im Flur nicht funktioniert. Die Gastgeberin klagt, niemand hätte Zeit die Birne zu wechseln und sie getraue sich nicht mehr auf die Leiter. Der Electro-Pastor schnappt sich die Leiter und wechselt die Birne. Der langen Rede kurzer Sinn, man muss seine wahren Kompetenzen kennen.

Als Electro-Pastor muss man etwas vom Lieben verstehen

Keine Angst mein Blog bleibt jugendfrei. Klessmann meint hier die Kompetenz sich einem anderen Menschen zu öffnen und das Risiko einzugehen zu vertrauen und sich verletzlich zu machen, aber auch die Schmerzen der letztlich nicht überwindbaren Distanz, der verborgenen Vorbehalte, des Misstrauens und des Missverstehens zu kennen. (Klessmann 2001 S. 79) Genau das habe ich heute geübt. Ich versuchte mich darauf zu velassen, dass die, die Decke eingelegt haben die Rohre dorthin geführt haben, wo sie nach Plan hinkommen. Ich habe mich in diesem Vertrauen verletzlich gemacht, denn es wurde bitter enttäuscht. Die Sonnerie ging auf den Lichtschalter etc. etc. Also kommen die verborgenen Vorbehalte, das Misstrauen, dem gegenüber, der die Decke eingelegt hat. Wenn man dann die Diskrepanz zwischen Plan und Realität sieht und am eigenen Leib erfährt, lernt man die verborgenen Vorbehalte des Misstrauens und des Missverstehens ganz unverblümt offensichtlich kennen.

Als Electro-Pastor muss man was vom Glauben verstehen

Klessmann meint hier man müsse für sich selber geklärt haben, was man eigentlich glaubt. Dieser Glaube muss irgendwo in der Biografie begründet sein und gleichzeitig die Biografie auch wieder prägen. Auf der Baustelle heisst das, dass man den Glauben nie verlieren darf, dass die irregeführten Rohre irgendwie doch noch ans richtige Ziel kommen und dass am Schluss alles - oh Wunder -  funktionieren wird. 

Dienstag, 13. Oktober 2015

Assessment eines Electro-Pastors

Was macht eigentlich einen guten Electro-Pastor aus?

Diese Frage hat mich den ganzen  Tag schon umtrieben, so dass ich es mir nicht nehmen lassen will, eine, vielleicht nicht in allen Details ernst gemeinte Antwort zu geben.

1. Ein guter Electro-Pastor hat immer das passende Werkzeug auf sich. Er weiss jeder Zeit, welches Werkzeug in welcher Situation angezeigt ist. Der Schraubenzieher wenn (bei jemandem) eine Schraube locker ist. Die Spitzzange, wenn mal etwas herausgezogen oder umgebogen werden muss, wenn Worte Versagen und Taten gefordert sind. Der Saitenschneider [sic! (Saitenschneider von Klavier- und anderen Saiten, deshalb nicht Seitenschneider, schneidet ja nicht an der Seite)], wenn endlich mal etwas abgeklemmt werden kann. Die Abisolierzange, wenn der Electro-Pastor zur Seele vordringen will, muss, soll. Mit der Kombizange geht es dann zur Sache, wenn mal was ganz fest und bestimmt angepackt werden muss, wenn der Electro-Pastor vielleicht mal nicht mehr so sanft und besonnen vorgehen kann. Dann ist natürlich die Multireligiosität eines jeden Electro-Pastoren von entscheidender Bedeutung: Der Schlitzschraubenzieher für die reformierten Seelen, der Kreuzschraubenzieher für die katholischen Seelen, der Torxschraubenzieher für alle anderen Religionen. Das Kabelmesser wird gebraucht um die vielen Schichten der Kabel der Bürokratie zu entfernen, um irgendwann vielleicht endlich zum Wesentlichen zu kommen.

2. Schon die Gallier fürchteten nichts so sehr, als dass ihnen der Himmel auf dem Kopf fallen könnte, auf der Baustelle fliegen manchmal ganz andere Sachen durch die Luft oder man stösst sich den Kopf am Gerüst. Da der Pfarrer sein Amt mit seiner Persönlichkeit ausfüllt, führt dies natürlich immer auch zu Kritik, die vom Pfarrer in seiner zarten Seele auch mal als Prügel wahrgenommen wird. Hier schützt der Helm, indem er hilft, die Kritik als anregend zu verstehen und nicht als Prügel

3. Ob auf dem Bau oder im Pfarramt, Überhosen sind das A und O. Es tut gut, ob beim Electro oder beim Pastor, den Dreck der Baustelle, sei sie handwerklicher oder menschlicher Natur am Abend abstreifen zu können. Arbeitskleidung Schützen den Elektro-Pastoren und erleichtern das Arbeiten. Beim Electro haben die Arbeitskleider praktische Taschen für Schrauben, Briden etc. beim Pastor zeigt das Pinguingewand (Weisser Rollkragenpullover, schwarze Kutte, schwarze Jeans) an: der Pfarrer ist im Dienst.

4. Mit dem Bohrhammer oder die Spitzmaschine dringt der Electro-Pastor in die härtesten Schichten vor und legt dort Verborgendes, verloren Geglaubtes oder ganz einfach Verbocktes frei, sowohl auf der Baustelle, wie auch im Pfarramt, vgl. Blogeintrag vom 1. Okt.

5. Ohne Sicherheitsschuhe darf der Electro-Pastor keinen Fuss weder auf die Baustelle noch ins Pfarramt setzen. Durch die Sicherheitsschuhe sind die Zehen geschützt, falls etwas drauf fällt. In den Sohlen ist ein Durchtretschutz, falls man in einen Nagel tritt. Etwas vom Wichtigsten aber ist, mit den Sicherheitsschuhen kann man nach etwas treten. Manchmal wird das nötig, wenn man Aggression abbauen will oder muss, manchmal muss man auch mal was zur Seite treten. Auch im Pfarramt sind die Sicherheitsschuhe ein Muss, doch eher im übertragenen Sinn. Sie schützen vor Fettnäpfchen, in die man stehen kann, sie schützen davor, wenn jemand einem auf die Füsse treten will und manchmal muss man als Pfarrer auch etwas lostreten, damit sich wieder was bewegt.

6. Der Gehörschutz. Seien wir mal realistisch, das lauteste, das Gehörschädigendste auf dem Bau ist sowieso der Baustellenradio des Stromers, das erste, das am Morgen eingeschaltet und das letzte das am Abend ausgeschaltet wird. Aber gut, der Gehörschutz schützt ja nicht vor dem Radioprogramm (was ja eigentlich am nötigsten wäre und dafür müssen wir jetzt alle Konzession bezahlen?!?!?), sondern vom meist weniger lauten Maschinenlärm. Und manchmal ist es gut, wenn man nicht alles hört, manchmal ist es gut, wenn man einen Gehörschutz trägt, im Pfarramt, wenn die Leute reden, wenn Dinge geplant, sind, hinter denen man nicht stehen will oder kann oder bei denen man nicht mitmachen mag. Der Gehörschutz ist der Filter damit man Gesund bleibt bei all den Nebengeräuschen des Lebens, damit Lärm nicht schadet, man aber dafür die Musik hört.

7. Wohl das wichtigste Requisit des Stromers ist die Bockleiter. Es gibt nichts Schöneres als irgend in einer Ecke einen Moment auf der Leiter zu chillen. Von der Leiter aus erreicht man das höher gelegene und hat gleichzeitig auch den Überblick. Im Pfarramt fehlt die Bockleiter, die Möglichkeit, jeder Zeit die Übersicht zu erlangen, das Chillen und die Gedanken wieder ordnen zu können,  um dann gestärkt wieder weiter arbeiten zu können. Ich glaube, ich muss beim Kirchgemeinderat noch eine Bockleiter beantragen, damit ich zwischendurch chillen kann und jederzeit die Übersicht habe.

Montag, 12. Oktober 2015

Kommunikation ist das A und O. Doch wie kommuniziert man richtig? Über diese Frage zerbrechen sich Jahr ein Jahr aus ganze Legionen von hoch dotierten Wissenschaftlern den Kopf, ich weiss ja nicht, ob ich als armseliges Electro-Pastorlein der richtige bin, um etwas Qualifiziertes zum Thema "Kommunikation" zu schrieben, deshalb hier eine kleine Anekdote aus  meinem Alltag als Elektromonteur, dazu ein Bildchen:
Der beste Garant für eine gute Kommunikation ist doch ein guter, klarer, verständlicher, allen einsichtiger Plan, auf dem alles noch mit weiteren Detailansichten und Legenden veranschaulicht wird. Gut, das haben wir, unsere Pläne könnten wohl besser nicht sein. Im roten Kreis 1 oben sieht man das Symbol für eine Abzweigdose, diese Dosen finden sich meist an der Decke, hier im Beton einbetoniert. Wenn das Symbol im Kreis 1 eine Abzweigdose ist, was ist denn das Symbol in Kreis 2 folge dessen? Ja klar, auch eine Abzweigdose, das ist doch ganz klar, das Symbol sieht doch gleich aus. Aber hallo, im Symbol steht ein Vermerk "S4", der atypisch für eine Abzweigdose ist. Wer jetzt ganz gut schaut und den Plan genau studiert hat, dem Fällt auf, dass zu S4 eine weitere Erklärung steht:
Schalterplate S4
Die vermeindliche Abzweigdose stellt sich als "Schalterplatte S4" heraus. Die Kollegen, die die Decke eingelegt haben, haben das klitzekleine "S4" wohl nicht gesehen oder nicht beachtet, hielten die Schalterkombination für eine Abzweigdose und legten entsprechend eine Abzweigdose ein. Ein läppisches Quadrätchen mit einem "S4" verursacht ein totales und folgenschweres Kommunikationschaos, die Rohre enden nun in einer Dose und können nicht mehr ohne weiteres auf einen Schalter geführt werden und der ganze Plan ist für die Füx, denn obwohl alles haarklein geplant wurde, müssen wir jetzt trotzdem improvisieren, genau das, was ja der tolle Plan verhindern sollte. Hätten die Planer das gängige Symbol für einen Schalter verwendet:
wäre es den Kollegen aufgefallen, dass dort eine Schalterkombination installiert wird und keine Abzweigdose. Dann hätten sie statt einer Dose Schalungsschoner
Ein gemeiner Schalaungsschoner M 20,
einbetoniert in eine Decke
eingelegt, die Rohre könnten auf den Schalter geführt werden und alles wäre gut, alle wären happy. Wenn, wenn, wenn. Wenn.
Aber wir sind Menschen, wir bemühen uns in allen Bereichen des Lebens optimal zu kommunizieren, wir versuchen alle Fehler in der Kommunikation auszumerzen, doch dies wird uns nie gelingen, auch mit der besten Planung, mit der besten Kommunikation nicht. Denn Kommunikation ist immer etwas Bidirektionales: Ein Sender, der kommuniziert, ein Empfänger der versteht, interpretiert und, in unserem Fall mit dem Installationsplan, umsetzt.
Das Lesen unserer Elektropläne setzt eine Hermeneutik (von gr. ἑρμηνεύειν auslegen, erklären, übersetzen) Das heisst unsere Pläne sind nicht einfach klar, sie bedürfen einer Auslegung und diese ist subjektiv.

Und hier sehe ich genau die Herausforderung jeder Kommunikation: so zu kommunizieren, dass das was gesagt werden will auch so verstanden werden kann wie es der Sender der Botschaft, diese gehört haben, bzw. verstanden haben will.
Ist noch etwas klar? Nicht, sehen Sie, das ist halt Kommunikation.

Freitag, 9. Oktober 2015

Wir wolln uns gerne wagen und tragen unsere Steine aufs Baugerüst.

Wir wolln uns gerne wagen,  in unsern Tagen
der Ruhe abzusagen,  die’s Tun vergisst.
Wir wolln nach Arbeit fragen,  wo welche ist,
nicht an dem Amt verzagen,  uns fröhlich plagen
und unsre Steine tragen aufs Baugerüst.

RG 811

Etwas tun, etwas machen, arbeiten, tätig sein, etwas gestalten, etwas bewegen, das ist meine, das ist unsere Aufgabe auf der Baustelle (vgl. Bild links, dessen, was ich heute in mehrfacher Ausführung gemacht habe).
Unser Tun ist nicht rein zufällig, sondern orchestriert wir arbeiten nach Plänen, die uns alles vorgeben, die in jedes Detail gehen und (theoretisch) keine Fragen offen lassen.
Wie lückenhaft jede Planung ist, zeigt die wachsende Fülle von Regierapporten. Wir auf dieser Baustelle Arbeitenden sind Macher, wir sind Gestalter, Veränderer, Vollender. Dabei ist die Baustelle Objekt unserer Betriebsamkeit, sie lässt es geschehen, sie lässt sich bauen, gestalten, vollenden. Die Baustelle kann selber ja nichts zu ihrer Vollendung beitragen, da sie tote Materie, Stein, Stahl, Holz Plastik ist. Die Baustelle als solche hat ohne Zutun von uns Arbeitern kein Eigenleben. Wenn wir nicht mehr weiter arbeiten würden, würde sie sich nicht selber vollenden, das ist ja klar, sie bleibe unvollendet und würde durch Wind und Wetter irgendwann wieder abgebaut und selbst in diesem Prozess, wäre sie hilfloses Objekt von Wind und Wetter.

Unser eingangs erwähntes Kirchenlied suggeriert, dass Glaube, dass kirchliche Gemeinschaft Arbeit sei, Arbeit vergleichbar der auf der Baustelle. 1. Kor. 12, 12-31). Daher handelt die Kirche aus sich heraus, erneuert sich, mag bisweilen auch leiden, sich dann aber wieder freuen usw. Natürlich ist hier mit Kirche nicht das Gebäude gemeint, sondern die Menschen, die es füllen, die Menschen mit ihren Geschichten, die Menschen mit ihren Kompetenzen, ihrer Freude, Trauer, Defiziten... .
Die Kirche als Baustelle, diesen Begriff habe ich selber vor etwas mehr als 10 Jahren lanciert, als ich meine Pfarrstelle hier angetreten habe, aber entspricht diese Sichtweise dem Wesen der Kirche? Kann, darf Kirche wie eine Baustelle, ein Hobbyraum sein, in dem sich einzelne, allen voran die Pfarrpersonen nach ihrem Gutdünken austoben können, dürfen, sollen? Oder mit Klessmann (Pfarrbilder im Wandel S. 31) gefragt, kann die Kirche, die Kirchgemeinde, das Pfarramt Objekt pastoraler Aktivität sein? Rhetorische Frage, nein. Kirche ist definitiv keine Baustelle. Kirche ist kein von einem Architekt geplantes Objekt. Kirche ist nicht etwas, das man gestalten, bearbeiten, formen oder gar vollenden kann. Kirche ist ein selbstbestimmt handelndes Wesen, bestehend aus allen Menschen, die sich in irgend einer Weise der Kirche zugehörig fühlen. Deshalb kann es auch keine Passivmitglieder in der Kirche geben. Jeder Mensch der die Kirche in irgend einer Weise unterstützt, ob er jetzt am Gottesdienst teil nimmt, ob er Kirchensteuer bezahlt, für die Kirche einsteht, ehrenamtlich mitarbeitet, Kirche gut findet oder sie konstruktiv kritisiert, jeder Mensch, der sich mit Kirche auseinandersetzt, ist unverzichtbarer, handelnder, agierender, selbstbestimmter Teil des Organismus "Kirche" vgl. (
Der Begriff Kirche wandelt sich so gesehen vom Gebäude, das zu gegebener Zeit bim bam macht zu einem lebendigen Organismus, der Leben fördert.

So, meine Lieben, das wars für diese Woche, Feierabend, wir sehen uns Montag wieder, ich hab jetzt Wochenende.

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Über die Authentizität von Installationsplänen

Wenn ich auf die Pläne unserer Baustelle schaue, verstehe ich Bahnhof. Ich weiss nicht in welchem Haus ich bin, sowieso nicht in welcher Wohnung. Alles sieht im Realen so anders aus, da noch keine Wände eingezogen sind, das ganze Gebäude gleicht eigentlich einem riesigen Loft ohne Raumeinteilung. Wenn ich irgendwo arbeite, muss man mir vor Ort erklären, was ich zu tun habe, die Pläne nützen mir nichts. Vor 23 Jahren konnte ich wie eine Eins Pläne lesen, heute brauche ich sehr viel Zeit, bis ich sie begriffen habe. Ich will das auch gar nicht mehr lernen, denn das kostet mich zu viel Zeit und Energie, Zeit und Energie, die ich lieber in die Arbeit an der Installation investiere. Das wissen meine Kollegen und sie akzeptieren dies auch. Ich will authentisch sein, ich will nicht so tun als könnte ich etwas, das ich nicht wirklich kann, ich wüsste etwas, was ich nicht (mehr) wirklich weiss. Diese Authentizität wird von meinen Kollegen akzeptiert, wenn nicht gar geschätzt.
Der Begriff Authentizität bekommt eine völlig neue Dimension, wenn man "under cover" arbeitet. Was darf ich sagen, ohne alles zu verraten, was darf ich sagen, ohne zu lügen? Und so langsam beginne ich zu begreifen, welchen Stellenwert Authentizität in meinem Beruf als Pfarrer hat. Als Stromer kann ich in den dreckigen Überkleider durchs Dorf schlurfen, das stört niemand. Als Pfarrer wird von mir ein standesgemässes Auftreten erwartet und das nicht nur äusserlich. Vor allem im Blick auf meinen Charakter, mein Leben, meine Eheführung, mein ökologisches Bewusstsein, mein soziales Engagement, meine Geduld, meine Frömmigkeit, meine Bibeltreue und so weiter und so fort. Der Begriff Pfarrer beinhaltet so viele fixe Vorstellungen, die sich zum Teil sogar widersprechen, wie kann ich als Mensch in dieser Erwartungsfülle überhaupt authentisch sein? Aspekte wie Zweifel, Unglaube, Ratlosigkeit, Lustlosigkeit, Müdigkeit, Gottesferne, Aggressivität, Unfreundlichkeit, Ungehaltenheit usw. sind alle nicht in der Fülle "positiver" Konnotationen des Pfarrerbildes vorgesehen. Authentizität würde aber heissen, dass der Pfarrer authentisch sein kann und zu seinen Schwächen stehen darf, ja sogar muss. Und notwendigerweise müsste aber das Umfeld des Pfarrers, seine Gemeinde seine "Schwächen" nicht als bedauerliches Defizit anschauen, sondern als Teil einer Persönlichkeit, die nun mal so ist. Die Idendität des Pfarrers muss, wie die Idendität eines jeden Menschen, notwendigerweise "prozesshaft, unabgeschlossen und bruchstückhaft" sein. (vgl. Klessmann Pfarrbilder im Wandel. S. 20). Wie will ein Pfarrer die Gnade Gottes predigen, wenn er so lebt, als bräuchte er diese Gnade selber gar nicht? Wie will ein Pfarrer glaubwürdig von der Liebe Gottes erzählen, wenn er so tut, als sei er selber Gott? Wir können nur die Gnade, die Liebe Gottes predigen, wenn wir sie Tag täglich immer neu in unserem eigenen Scheitern und trotzdem Angenommensein erfahren, brauchen erbitten müssen. 

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Die (Un)fehlbarkeit der Elektrorohre

Kein Rohr ist perfekt, eh, nein, ich bin wohl bereits etwas zu lange auf dem Bau, ich meine natürlich, kein Mensch ist perfekt. Folgende Situation: wir wollten heute die Putzsteckdose im Treppenhaus 3. OG einziehen (20cm ab Fertigboden), dachten uns dabei nichts Böses, als das Einzugsband statt in der Putzsteckdose im Treppenhaus, im Lichtschalter in der Wohnung neben der Tür in der Wohnung 3. OG rechts herauskam. Kann wohl unmöglich so gemeint sein! Also wo geht denn das Rohr hin, das in der Putzsteckdose ab geht, die wir eigentlich erschliessen wollten? Aha, das Rohr endet auf dem Schalter im Wohnzimmer der Wohnung 3. OG rechts, aha wohl auch nicht so gemeint. Würden wir das jetzt so einziehen, müsste man das Licht Wohnzimmer 3. OG rechts 20 cm ab Fertigboden im Treppenhaus einschalten und der Hauswart müsste seinen Staubsauger in der fraglichen Wohnung im Wohnzimmer in der Schalterkombination einstecken, nicht ultimativ benutzerfreundlich. Der Fall ist schnell klar, beim Einlegen wurden zwei Rohre falsch zusammen gemufft, das kann ja mal passieren und ist auch kein Wunder bei dem Salat der beim Einlegen auf der Decke herrscht (vgl. Bild). 

Was ist zu tun? Klar, in den Beton spitzen, spitze!!
Sofort stellt sich die Frage nach der (Un)fehlbarkeit der Rohre, eh nein, schlussendlich ist es die Frage nach der (Un)fehlbarkeit des Menschen. In Bezug auf die päpstliche Unfehlbarkeit, lesen wir im Taschenlexikon Religion und Theologie: Das Erste Vatikanische Konzil erklärt den Papst für unfehlbar (=irrtumsfrei), wenn er 'ex cathedra' spricht, d.h. wenn er als Hirt und Lehrer aller Christen  einen bestimmten Satz aus dem Bereich der Glaubens- oder Sittenlehre anzuerkennen vorschreibt.
Wer für sich Irrtumsfreiheit reklamiert, hat was zu sagen, kann anderen etwas vorschreiben? Oder ist die Unfehlbarkeit abhängig von der Machtfülle, die jemand hat? Je mächtiger, je unfehlbarer? Die Geschichte lehrt uns, dass dieser Zusammenhang immer wieder so gesehen wurde. Auf unsere Rohre bezogen, müssten wir diesen Fehler also zum Programm machen, der Architekt und die Bauherrschaft müssten akzeptieren dass man das Licht für die Wohnung 3. OG rechts im Treppenhaus 20 ab Fertigboden einschaltet, dafür muss der Abwart seinen Staubsauger im Wohnzimmer in der Schalterkombination einstecken und jedes Mal eine Kabelrolle ziehen. An diesem Beispiel zeigt sich sehr gut, wie absurd der Anspruch der Unfehlbarkeit ist.
Was bleibt mir nun zu tun? Ich werde morgen in Demut spitzen, im Wissen darum, dass wir alle Fehler machen. Klar werde ich ein kleines Bisschen den Kollegen verfluchen, der beim Einlegen die Muffen falsch zusammengesteckt hat, aber schlussendlich bin ich froh, dass bei uns niemand unfehlbar ist, am wenigsten ich.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Einlegen - oder die ganze Arbeit für die Katz

Einlegen gehört nicht zu meinen liebsten Arbeiten. Klar ist man an der frischen Luft, das heisst entweder im strömenden Regen, in Eiseskälte oder in der gleissenden Sonne, und legt die Elektrorohre in die Betodecke ein (siehe Bild). Wenn dann die Rohre auf der Unterarmierung festgebunden sind und alles ordnungsgemäss verlegt ist, kommen die Eisenleger, armieren die Decke füllen die Schalung mit Beton. Von der ganzen Arbeit ist am Schluss dann nichts mehr zu sehen. Die ganze Arbeit heute Vormittag wird für immer vom Beton zugedeckt und das ist auch Sinn und Zweck der Sache. Wieso sollte man sich trotzdem Mühe geben und die Rohre schön einlegen? Warum sollte man sich trotzdem Mühe geben alles sauber zu binden? Natürlich, damit später die weiteren Arbeitsschritte, das Einziehen und installieren der Apparate reibungslos verläuft.
Lasst mich doch mal ein gedankliches Experiment machen: betrachten wir die Betondecke als den zeitlichen Rahmen unserer Lebzeit und die Rohre, die Dosen, die Lampendübel, die Schalungsschoner etc. als das, was wir im Rahmen in der Schalung unseres Lebens bewirken. In unseren besten Jahren ist die Betondecke noch offen, hat noch keine Oberarmierung. Wir ziehen unsere Leitungen, vernetzen uns in alle Richtungen, schaffen Verbindungen zu allen möglichen Menschen Institutionen, Dingen, lernen, was wir wissen müssen, was wir wissen wollen. In unserem Alter kommt dann die Oberarmierung dazu, neue Rohre einzulegen wird immer schwieriger. Mit unserem Tod ist dann alles betoniert. Wozu sich also Mühe geben? Natürlich, damit die weiteren Arbeitsschritte, das ewige Leben reibungslos verläuft? Na ja, das ist nun doch zu einfach, aber die Frage bleibt trotzdem, die letztendliche Frage nach dem Sinn des Lebens und diese lässt sich wohl schwer mit einer Betondecke und einigen Elektrorohre lösen... .

Montag, 5. Oktober 2015

Ohne Familie, das Leben gar nicht gut!

¨Ohne Familie, das Leben gar nicht gut¨, das hat heute jemand in einem Gespräch auf der Baustelle zu mir gesagt. Diese Worte eines Gastarbeiters haben mich sehr nachdenklich gestimmt. Schätze ich, schätzen wir den Wert der Familie überhaupt noch, wie das Menschen in Not das tun? Pflegen wir das, was uns als Familie verbindet? Mein Gesprächspartner erklärte mir, wenn er irgendetwas brauche, sage er das in der Familie und alle helfen nach ihren Möglichkeiten das Problem zu lösen, auch wenn sie nichts haben, auch wenn sie auf der ganzen Welt verstreut sind, sie helfen, weil sie alle die Erfahrung von Flucht und Elend, weil sie die Erfahrung von Armut und Unterdrückung gemacht haben. Und weil sie erfahren haben, dass diese schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch überhaupt machen kann nur als Familie zu meistern sind. Ist es genau das, was uns Westeuropäer gelinde gesagt gegenüber unseren Familienbanden so fahrlässig macht: die Erfahrung, dass wir einander gar nicht brauchen oder meinen einander nicht zu brauchen? Das Gespräch mit dem Gastarbeiter von heute Morgen hat vielleicht zwei bis drei Minuten gedauert, hat mich aber den ganzen Tag lang zum Nachdenken angeregt und ich muss sagen, er und seine Landsleute sollten für uns WesteuropäerInnen  grosse Vorbilder sein, denn sie pflegen noch, was wir immer mehr vernachlässigen: die Familie.

Freitag, 2. Oktober 2015

Man darf es ja nicht zu gut meinen!

Heute war mal wieder der Klassiker der Klassiker in Sachen menschlichem Sein: Ich habe frisch, fromm fröhlich frei eines dieser gefühlten unzähligen Rohre frei gespitzt, (siehe Foto) und dachte mir nichts Böses, als ich auf das erste Rohr im Beton stiess und wenn man mit der Hilti zufällig im Beton auf ein Rohr stösst, ist das Rohr hinüber. Dann spitzte ich weiter, doch es dauerte nicht lange, bis ich feststellen musste, dass unter dem Rohr, auf das ich gestossen war noch ein zweites lag und en passent habe ich gleich noch ein drittes erwischt, ohne das Rohr bereits erreicht zu haben, das ich hätte freispitzen sollen (Auf dem Bild gleich neben dem Ablauf). Die Worte, die mir in diesem Moment über die Lippen kamen, sind eigentlich eines Pfarrers nicht würdig, aber an der Uni hat uns mal ein AT- Professor gesagt im Alten Testament werde mehr geflucht als gesegnet, also, was solls!
Nun was hat das mit dem menschlichen Sein zu tun? Ich habe es gut gemeint, wollte ein von einer Kernbohrung durchtrenntes Rohr freispitzen, um es wieder zusammen zu muffen, das war der gute Vorsatz. Dabei habe ich ohne es zu wollen und wohl auch ohne es anders zu können mehr kaputt gemacht, als geflickt. Wie oft geht es uns in unserem Alltag so, dass wir helfen wollen, es gut machen wollen, es gut meinen, und schlendern dabei vom einen Schlamassel in den nächsten? Beim es gut meinen verletzt man dies und das, bis man sich fragt: hätte ich es nicht besser sein lassen sollen? Im Falle meiner Rohre gilt: ja ich hätte das durchtrennte Rohr bleiben lassen sollen oder vielleicht auch nicht, denn ich habe viel gelernt dabei und beim Spitzen sind mir diese Gedanken gekommen, was ja auch was ist. Der Lernprozess, den ich machte: Noch vorsichtiger vorgehen. Ebensowenig wie arbeiten ohne Fehler geht, geht Menschsein ohne Fehler und da hilft nun wirklich kein Fluchen und kein Beten!

So nun habe ich Wochenende, der nächste Blogeintrag werde ich Montag schreiben, jetzt ist Feierabend!!!!!

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Schreibfehler

Ich wurde übrigens von einer Leserin oder einem Leser meines Blogs auf meine omnipräsenten Schreibfehler aufmerksam gemacht.
Liebe Leute, mein Verhältnis zur Rechtschreibung stellt sich wie folgt dar: Ein Pfarrkollege, der früher Lehrer war, hat mir mal gesagt, die Rechtschreibung sei etwas für die Lehrer, damit diese etwas zu korrigieren hätten. Also, wer Lust hat, der soll meinen Blog korrigieren, soll so richtig mit rot auf seinem Bildschirm herumschmieren (für alle US- Amerikanischen LeserInnen: ich übernehme dafür keine Haftung!) Wen meine Fehler so dermassen stören, soll doch das Lesen bleiben lassen und alle anderen und ich hoffe das ist die Mehrheit, soll weiter lesen.

Mein schützender Fels, meine Zuflucht ist in Gott... ...Ausser man muss den ganzen Tag in diesen Fels spitzen!

Ich sitze im Zug, bin dreckig wie eine Sau und auf der Schnauze, denn ich habe den ganzen Tag gespitzt, in den Beton, gespitzt, vonwegen Fels und Gott und so, dazu aber später mehr. Wie es dazu kam, ganz einfach, der Heiziger brauchte eine Steigzohne, genau dort, wo auch wir unsere Verteilung haben, also wird gebohrt, kerngebohrt, das heisst so ein Loch hat gut und gern 20cm Durchmesser, das nimmt breit in einer Dose über einer Elektroverteilung (vgl. Bild mit meinem Schuh, eigentlich wollte ich nur den Kern der Kernbohrung zeigen). Also durfte ich all die Rohre herausspitzen, von unten versteht sich, denn schliesslich kommen die Rohre ja auch zur Decke raus. Für alle, die es nicht wissen und die andere Hälfte, die es nicht ahnen kann: spitzen ist, gelinde gesagt, nicht gerade die präferierte Arbeit des Elektromonteurs, oder etwas direkter, Spitzen geht in die Kategorie Drecksarbeit (Wobei ich nicht ungern spitze, man sieht dabei wenigstens, was man gemacht hat). Und hier sind wir auch schon beim Psalmvers: PS 62,8 Meine Rettung ist bei Gott und meine Ehre, mein schützender Fels, meine Zuflucht ist in Gott. Gott ist ein Fels, stark, beständig, hart und zäh, wie der Beton, den ich heute gespitzt habe. Die ganze Spitzerei sehe ich denn auch als Bild dafür, wie wir uns als Menschen manchmal an Gott abarbeiten, wenn wir den Verlauf, den unser Leben nimmt, nicht beeinflussen können, wenn wir Schicksalsschläge oder schwere Zeiten durchmachen, arbeiten wir uns an diesem Fels Gott ab, der Fels der uns schützt, der Fels unserer Rettung und unserer Zuflucht.